Warum „unverhofft kommt oft“?
Im Sommer 2016 ergab sich für Kerstin beruflich eine unerwartete („unverhoffte“) Situation. Im Zuge eines großen Umbaus der Vertriebsstruktur bei ihrem damaligen Arbeitgeber gab es 2 Wahlmöglichkeiten. Eine davon hieß: schlage einen neuen Weg ein. Nachdem derartige Gedanken schon lange vorhanden waren, war klar, dass sie diese Chance nutzen würde. Innerhalb weniger Wochen entstand quasi eine neue Lebens-Vision. Bestandteile waren Regeneration, Start eines 2 Jahre dauernden Online-Studiums und eine lange Reise. Oli ließ sich für 3 Monate freistellen und so hieß es am 6.10.2016: „Start„. Da klar war, dass wir uns außerhalb normaler touristischer Wege bewegen wollen, hieß es, dass ich mich von meinen Gel-Fingernägeln trenne. Schweren Herzens und befreiend zugleich, da ich die regelmäßigen Termine dafür als Fessel empfand.
Hier lest Ihr die nachgearbeitete Version des während der Reise online gestellten Reisetagebuchs, unseres Blogs. Wie schon auf der Startseite angekündigt: Ich-Form bedeutet Kerstin-Sicht.
Die ungefähre Vorstellung ist, von Stuttgart über die Schweiz, Italien, Frankreich, Spanien (Pyrenäen), Portugal nach Marokko zu fahren, wo wir ca. 4 Wochen bleiben wollen. Gern wollen wir auch über unser Equipment berichten. Es gibt so viele Dinge, die berücksichtigt werden wollen. Eine Herausforderung ist z.B., daß ich online studiere und wir stabile Internetzugänge benötigen. Wirklich enttäuschend sind die von fast jedem Camping- oder Stellplatz vollmundig angepriesenen WLAN’s. Das ist sehr schnell klar. Eine Lösung dafür haben wir noch nicht, man wird sehen…
Tag 1
Donnerstag 6.10.: Start in Althengstett südlich von Stuttgart, Reise über Singen am Bodensee in die Schweiz, über den Gotthard-Paß an den Lago Maggiore. Witzig gelegener Stellplatz fast über der Straße in Oggebbio, der Platz ist 24h zugänglich, WLAN nicht, kann man erst am nächsten Morgen buchen für 5€ / 12 Stunden. Ich mache mich auf die Suche nach der auf einem kleinen Schild beschriebenen, 80 Meter entfernten Bäckerei – erfolglos. Oli fand sie später in ca. 800 Meter Entfernung, aber geschlossen… Egal, wir sind müde, es ist kalt (12°C) und so gehen wir schlafen.
Tag 2
Wir kommen morgens nicht leicht in die Gänge… daher Start gegen 11:30 in Oggebbio, wir fahren rund 450 Kilometer bis San Lorenzo al Mare bei Imperia an der italienischen Mittelmeerküste. WoMo-Stellplatz ca. 500 Meter vom Meer entfernt, super Ausstattung, alles neu, wunderbar.
Tag 3
Start in San Lorenzo al Mare bei wundervollen 25° in Sommerkleidung :-). Vorbei an Monaco und Fréjus
ging es Richtung Aix-en-Provence. In der App sah der Campingplatz wundervoll aus, wir fanden ein schönes Eck für den G und dann kam die Dunkelheit und mit ihr die Kälte. Oli warf unser Öfchen an, zum Glück haben wir Holz dabei, und STROH-Rum:
Und stets griffbereit: Trinkflaschen (Plastik, ja, auf Reisen sind Glasflaschen für uns nicht vorstellbar) und eine große Papier-Rolle (z.B. aus dem Baumarkt). Unsere Handys werden von schockabsorbierenden und z.T. zusätzlich wasserdichten Hüllen geschützt (Otterbox und Lifeproof).
Tag 4 und 5 (Sonntag und Montag)
Halb erfroren beschließen wir, uns Richtung vermeintlich warmem Mittelmeer zu bewegen. Herrliche Fahrt durch Provence, Camargue und Languedoc nach Gruissan Nähe Narbonne. Dort hatten wir einen vielversprechenden Campingplatz gefunden, der hielt, was wir uns erhofften. Schwierig für uns: ständiger Wind. Wir probierten unser kurz vor der Abfahrt fertiggestelltes, multifunktionelles Heck-Rundum-Zelt aus:
Damit war uns warm genug, daß wir einen Ruhetag einlegen konnten. Stetig schwierig sind die Internetzugänge. WLAN bedeutet nicht, daß man große Datenmengen kontinuierlich versenden oder empfangen kann. 1GB EU-Flat aus dem deutschen Netz reicht auch nicht weit. Wir brainstormen. Wohin geht die Reise? Macht es Sinn, eine französische oder spanische Daten-Mobilfunk-Karte anzuschaffen? Die Zeit drängt, da ich am Donnerstag ein Webinar wahrnehmen muß!
Tag 6-8 (Dienstag – Donnerstag)
Aufbruch Richtung Pyrenäen. Wegen der Dringlichkeit des guten Netz-Zugangs und der benötigten Zeit zum Studieren nehmen wir ausnahmsweise die Autobahn gen Westen, über Carcassonne, Tarbes und Pau. Dort Abbiegen in die Pyrenäen. Wir passieren im letzten Tageslicht den Col du Pourtalet auf knapp 1800 Metern und sehen an den frei laufenden Pferden, daß wir nun wirklich in den Pyrenäen „angekommen“ sind:
Auf der spanischen Seite der Pyrenäen nehmen wir ein Appartement auf dem Campingplatz in Gavin:
Jetzt heißt es Lesen, Lernen, und eine Mobilfunkkarte auftreiben, da auch hier das WLAN nicht gut ist.
Am Mittwoch ist spanischer Nationalfeiertag, darum können wir erst am Donnerstag auf Einkaufstour gehen. Das tun wir, werden im PhoneHouse in Sabinanigo fündig, aber als es am Abend Zeit für das Webinar wird, funktioniert die Karte nicht –> Mist .
Wir machen einen interessanten Ausflug zum Bahnhof Canfranc , an einem Tunnel, der Spanien mit Frankreich verbindet, gelegen. Er ist auf knapp 1200m gelegen, hat riesige, 1,2km lange überdachte Bahnsteige, wird aber kaum genutzt. Ein technisches Denkmal vom Feinsten:
Tag 9-11 (Freitag – Sonntag)
Wir haben nach wie vor Regen und ungemütliche Temperaturen –> darum: auf, Richtung Sonne. Laut diverser Wettervorhersageseiten scheint in Portugal die Sonne. Schwäbisch sparsam wie wir sind, meiden wir natürlich die Autobahnen und so sind die ca. 1000km bis zum Atlantik in der Gegend von Leiria eine anstrengende Angelegenheit. Der große Teil der Strecke verläuft über Berge und Hochebenen, wir bewegen uns dauernd auf 800-1200 Höhenmetern.
Die Stellplatzsuche heute bringt Ungemach mit sich: der erste sehr schön, aber extrem windig und noch recht früh am Tag erreicht. Der zweite in so merkwürdigem Umfeld inmitten einer kleinen Stadt (Aranda de Duero), daß wir lieber nochmal Gas tanken (LPG) und weiterfahren. In Penafiel, auf ca 800m Höhe, ist der gut bewertete Campingplatz geschlossen, die zugehörige Bar aber offen. Wir dürfen über Nacht auf dem Parkplatz bleiben, essen sehr gut und gehen bei Fast-Vollmond schlafen. Tiefsttemperatur etwa 5°C. Dafür ist der Morgen ein Traum:
Weiter geht es am Samstag bis nach Coimbrao, 5km vor der Atlantikküste auf einen von Deutschen bewirtschafteten Campingplatz. Waschen, Duschen, Blog bearbeiten, Studieren und eine Reparatur am Dachzelt sind die Themen für einen trüben, aber 20°C warmen Sonntag.
Tag 12-15 (Montag-Donnerstag)
Noch am Sonntag-Abend regnet es sich ein. Der Regen fällt so ungünstig, daß unser Zelteingang voll im Regen steht, wir hatten nicht damit gerechnet und unser Vorzelt nicht aufgebaut. Folge: die Abreise ist eine arg feuchte Angelegenheit, dazu sind alle möglichen Textilien und Decken klamm. Egal. Die Algarve lockt mit 22-25°C.
Das Mautsystem von Portugal finden wir undurchsichtig, darum, trotz vorhersehbarer knapp 400 km, meiden wir die Autobahnen. Am angepeilten Campingplatz angekommen (ganzjährig geöffnet laut Recherche) treffen wir keinen Menschen an. Irrtum, EIN Menschlein findet sich. Der junge Mann klärt uns freundlich darüber auf, daß es vor 1 Woche einen Brand gab und der Platz geschlossen ist. Nun kommt doch etwas Hektik in den gemächlichen Tag, da der Sonnenuntergang naht und wir es nicht mögen, in der Dunkelheit nach Plätzen zu suchen. In der Dämmerung kommen wir ca. 40 km entfernt auf einem Platz in Aljezur an. Außer uns gibt es mehrere Surfer mit T3’s, keine WoMo’s, alles ist sehr entspannt. Sogar die kleinen Tierchen, die vor dem Badehaus warten, sind entspannt:
Am nächsten Morgen kann ich meinen Nachhol-Test wegen des verpassten Webinars machen (@ Frau Müller: Danke für Ihre Unterstützung!). Das WLAN auf dem Platz kostet 1€ pro Stunde für 2 Geräte, ist aber wirklich sehr leistungsfähig. Darum nutze ich die Tage hier, um vieles zu erledigen, was einen Online-Zugang benötigt. U.a. erfahre ich meine erste Note – Gott sei Dank, ein Zweier.
Gegen Abend möchte Oli, daß wir zu Fuß zum Strand gehen, zum Essen. In Gedanken noch beim Studium, entgeht mir die Länge der Strecke und so ziehe ich mit schönen Stadt-Schuhen los… ein Fehler, wie sich herausstellt. Die Strecke beträgt einfach um die 4-4,5 km. Als wir endlich ankommen (die Aussichten auf dem Weg waren wirklich herrlich, der Atlantik ist es auch:)
schließt das Strandrestaurant gerade, die Surfergemeinde feiert sich mit kleinen Grill-Feuerchen, wir bekommen grad noch 2x Rotwein im Plastikbecher.
Eine traumhafte Kulisse ist das alles und wir machen uns auf den beschwerlichen Heimweg. Inzwischen ist es stockduster und am Ende habe ich 3 dicke Blasen an den Füßen. Oli nicht.
Am Campingplatz angekommen, erzählen unsere Nachbarn, daß der G 10 Minuten Alarmlichter gegeben hat. Glücklicherweise hat Oli schon vor 2 Jahren die Verbindung zum akustischen Teil der Alarmanlage gekappt, sonst hätte man uns vermutlich nicht so freundlich informiert. Dieses wiederholte „Auf-sich-Aufmerksam-Machen“ hat sich unser lieber G irgendwann abgewöhnt, die Ursache wurde nie gefunden.
Am Mittwoch wird es für mindestens 3 Stunden keinen Strom auf dem Platz geben, darum machen wir einen Ausflug in die Umgebung. Herrliche Strände, Surfer, ein teures Essen am Strand, Besichtigung der kleinen Stadt Aljezur, Einkauf (wir brauchen unbedingt Schmiermittel, das Auto quietscht!!!). Nach der Rückkehr, als das Auto gefettet ist, bauen wir zum ersten Mal das kurz vor der Abreise fertiggestellte Vorzelt auf:
In der anderen Variante, als Heck-Rundum-Zelt, hatten wir es gegen den starken Wind in Frankreich schon eingesetzt (Tag 4&5). Wir sind stolz auf unsere Kreation!
Die Erklärung für das auf der Reise entstandene Quietschen des Autos: die Mechanik des ALB (Automatischer Lastabhängiger Bremskraftregler). Ganz leicht zu finden übrigens, wenn sich einer unters Auto legt und der andere auf der Stoßstange herumhüpft oder sich zum Schaukeln an einen Griff des Dachzeltes hängt . Wer von uns welche Rolle übernommen haben mag, sei Deiner Fantasie überlassen… Den Donnerstag nutzen wir nochmals zum Studieren, Bloggen und Chillen. Für Freitag planen wir die Weiterfahrt Richtung Gibraltar.
Uns beeindrucken die ganz weit verbreiteten Kork-Eichen sehr. So ein Baum wird mehrere Hundert Jahre alt und jedes Jahr wird die Rinde (der Kork) abgeschält, wächst aber wieder nach:
Tag 16-21 (Freitag bis Mittwoch)
Als Ziel haben wir uns vorgestellt, einen Stellplatz im Raum Sevilla zu erreichen, um am nächsten Tag bis zum Hafen von Algeceiras zu kommen und Tickets für die Fähre nach Marokko zu kaufen. Das Navi (Navigon) hat fehlerhafte Infos bzgl der mautpflichtigen Strecken und will uns ca 100km Umweg „aufzwingen“. Da würden wir dann doch eine Maut akzeptieren. Es kann sich nur um die Brücke in Vila Real de Santo António handeln, wir glauben nicht an eine Maut und fahren den kürzeren Weg. Zum Glück… für die beeindruckende Brücke wird keine Maut verlangt.
In Spanien eingebucht, funktioniert unsere Mobilfunk-Karte nicht. Wir peilen einen Phone-House-Shop in Huelva an. Ziemlich zentrumsnah – werden wir einen Parkplatz finden? Parkhäuser und höhenlimitierte Parkplätze kommen ja nicht in Frage. Wie so oft ist uns der Gott der Parklücken wohlgesonnen und wir bekommen ein personalisiertes, also mit Auto-Kennzeichen versehenes Ticket. Dann auf auf, schnell zum Shop gelaufen – die Beraterin dort kann nur Spanisch. Mit Händen und Füßen kommunizieren wir und kriegen heraus, daß wir die Karte in Portugal genutzt hatten, unser Tarif aber nur national gilt. Daraufhin hat Happy Movil die Karte gesperrt. Durch eine Straf-Zahlung von 5 Euro kaufen wir uns frei und können wieder online gehen. Die nette Dame hat sich so viel Mühe um uns gegeben, wollte jedoch partout kein Trinkgeld nehmen. Über eine vorbeigebrachte Rose hat sie sich dann aber sehr gefreut.
Weiter geht es, an Sevilla vorbei, wo dicker Smog herrscht, zu einem schon in der App als „irgendwo im Nirgendwo“ genannten, abgelegenen Stellplatz. Soll nur 5,50€ kosten und mitten in der Pampa liegen. Tut er auch. Wir läuten abends um ca 21:00 an einem die ganze breite Einfahrt versperrenden dicken Eisentor und sofort geht das Tor auf. Unglaublich. Wir sind auf einem Abstellplatz für Wohnmobile und Wohnwagen in Dos Hermanas gelandet. Nicht direkt gemütlich, aber wir sind allein. Der Besitzer zeigt uns das kleine Sanitärgebäude, wir dürfen uns unseren Stellplatz selbst aussuchen – perfekt. Zum Glück stellen wir uns unter das Dach, unter dem auch die Camper stehen, denn am Morgen bricht ein Unwetter über uns herein, wie wir es noch nicht erlebt haben. Das geht über Stunden! Wir bringen alle Sachen in Sicherheit, die wir abends draußen liegen lassen hatten, parken das Auto nochmal um, weil wir völlig „eingeweicht“ werden – echt übel.
Gegen 14:00 fassen wir uns ein Herz, packen schnell, Oli legt sich „schnell“ nochmal unters Auto (es quietscht noch immer) und dann ab in Richtung Süden. Kaum 20 Kilometer vor Gibraltar / Algeceiras hört der Regen auf. Endlich!
Im Hafen von Algeceiras finden wir uns gut zurecht, kaufen Fähr-Tickets für den nächsten Tag und die Rückreise (sie gelten 1 Jahr) bei FRS und suchen uns eine Übernachtung. Eingedenk der Erfahrung von heute Morgen gehen wir auf Nummer-Sicher und nehmen auf einem Campingplatz bei Tarifa ein Zimmer. Herrlicher Platz mit Tunnel unter der Küstenstraße hindurch, um zum Strandteil des Platzes zu kommen. Dort gibt es ein gemütliches Restaurant, ein 3-Gänge-Tagesmenü und erstaunlich viele Urlauber (wir haben Ende Oktober!). Alle sitzen in der WiFi-Zone, chatten, schreiben usw., trinken etwas und warten, daß der Startschuß für das Abendessen fällt. Ein herrlicher Tagesabschluß nach einem aufregenden Beginn.
Am Sonntag wollen wir die 12:00-Fähre nach Tanger med nehmen und brechen gegen 10:00 auf. Alles klappt gut, wir reihen uns in die Warteschlange bei FRS ein und es passiert – nichts. Gegen 12:00 kommt dann eine Fähre an, bis wir ablegen können, ist es 13:00 Uhr. Die Überfahrt ist nicht sehr aufregend, am spannendsten ist das Vorbeifahren an Gibraltar.
Die Ankunft auf dem afrikanischen Kontinent scheint auch eher unspektakulär, bis wir beim Zoll landen. Für großartige Diskussionen mit Zollbeamten wäre ich wohl schon in Deutschland nicht die richtige Besetzung, mit Marokkanern in französischer Sprache bin ich es definitiv nicht. Zu unserem Glück findet sich ein schweizer Leidensgenosse, der der Sprache mächtig ist. Folgendes ist wohl passiert: beim Ausfahren aus dem Hafen / Einfahren in die Zoll-Kontrolle müßten die auf der Fähre in die Pässe gestempelten Einreise-Nummern erfasst werden. Warum auch immer (Pause???) – geschah das bei unseren beiden Autos nicht und so konnten diese keinem eingereisten Menschen zugeordnet werden. Bis man das durchschaut hat, vergeht natürlich jede Menge Zeit und dann muß ein gewillter Polizeibeamter gefunden werden, der die Nummern nach-registriert. Wir finden ihn in einem Baucontainer, wohin er sich zu einer Pause zurückgezogen hat. 2 Stunden später ist alles gut, wir dürfen nach Marokko einreisen. Noch auf dem Hafengelände gibt es eine Promotion-Aktion von inwi, einem der marokkanischen Mobilfunknetz-Betreiber und wir kaufen für 10€ 10GB Datenvolumen, die 1 Monat lang gelten. Zur Erinnerung: in Spanien haben wir 5GB für 29€ gekauft!!! Das Studium geht weiter und unsere täglichen Reise-Vorbereitungen erfordern auch immer wieder einen Internet-Zugang, darum sind wir darüber glücklich, gleich eine Karte zu haben. Mindestens 5 Geldautomaten stehen auch bereit (marokkanische Dirham dürfen weder ein- noch ausgeführt werden). Wir sind also gerüstet und peilen einen nur 50km entfernten Stellplatz an, der nahe Tanger sein soll. Ein Schelm, der einem Navi Bosheit unterstellt – unseres (diesmal TomTom) führt uns mitten durch die Innenstadt von Tanger, wo gerade sonntägliches Markttreiben stattfindet. Ein Traum. Ungefähr 10 Parkeinweiser wollen unser Auto parken… Der Campingplatz wirkt so einladend, daß wir direkt dran vorbeifahren, einen anderen anwählen und man will es kaum glauben – nochmals über den Markt fahren. Aber wir sind nun schon etwas abgehärtet und Oli lenkt den G souverän durch die Menschenmassen, ohne jemanden anzufahren. Gegen 20:00 kommen wir in Moulay Bousselham an, schon leicht ermattet. Immerhin hatten wir uns zur Fahrt über die Autobahn entschlossen, sonst wäre es wohl 22:00 geworden. 3,80€ Maut – das ist eine erfreuliche Dimension, an die wir uns nun erstmal gewöhnen dürfen. Benzin kostet um 1€ / Liter (Gas gibt es in Marokko nicht).
Am Campingplatz wird sofort das Tor geöffnet, man fragt, ob wir noch etwas essen wollen und sofort wird der Inhaber des platzeigenen Restaurants geholt. Wir essen die erste Tajine unseres Lebens – sehr lecker. Ungewohnt für uns ist, daß es von Katzen nur so wimmelt auf dem Platz. Am Morgen entdecken wir noch ein Pferd. Neben dem Platz ist eine Lagune – abgetrennt durch Maschendraht. Nicht schön, hier aber offensichtlich völlig normal. Das Sanitärgebäude ist für marokkanische Maßstäbe wohl ziemlich gut, für unsere (noch) europäischen eher mittel.
Wir ziehen gegen Mittag weiter in Richtung Mittlerer Atlas / Meknés und weiter nach Azrou. Unterwegs hatte Oli die Idee, auf dem Navi „kürzeste Verbindung“ anzuwählen. Die Wege waren eine beeindruckende Erfahrung und wir haben schnell wieder auf „schnellste, ohne Autobahn“ umgestellt, weil wir den G nicht unnötig quälen wollen. Schließlich soll er bei echten Herausforderungen fit sein.
Wir sind in Azrou auf 1.500m Höhe angekommen. Daher wollten wir eines der angebotenen Zimmer auf dem Campingplatz nehmen. Eine kühle Angelegenheit, die Besichtigung, da können wir uns auch im Dachzelt einrichten. In kürzester Zeit sind wir wieder von einer Menagerie umgeben, diesmal 5 Katzen und 2 Hunde, aber das gehört hier einfach dazu. Der Besitzer des Platzes spricht Deutsch und erklärt uns, wo wir einen Shop von Maroq Telekom in Azrou finden. Leider hat unser inwi eine bescheidene Netzabdeckung und nützt uns also wenig. Nicht grad souverän aber immerhin bekommen wir den Kauf und die Installation einer neuen Mobilfunkkarte gemanagt (diesmal ca. 6€ für 5GB für 1 Monat), heben nochmal Geld ab (Kreditkarten nimmt man nicht gern, nicht einmal beim Tanken) und nehmen Kurs auf die Hochebene bei Midelt. Dort gibt es einen etwas luxuriöseren Platz, wir brauchen Ruhetage zum Studieren, Bloggen und Waschen.
Eine beeindruckende Fahrt über den Mittleren Atlas wird diese 100km-Strecke. Halbwilde Berberaffen sehen wir, rasten auf 2050m Höhe an einem Kratersee, sehen unglaubliche Armut bei Menschen, die in Lehmhütten oder Zelten aus Plastikplanen auf dieser Höhe inmitten kärglicher Landschaft leben und wohl nichts außer Schafherden haben. Nach der Paßüberquerung bietet sich der Blick auf den Hohen Atlas und dann sind wir auch gleich in Ksar Timnay und quartieren uns in einem Bungalow mit eigenem Bad ein. Es gibt Übernachtung mit Frühstück und Halbpension und das Ergebnis des ersten Tages sind eine Menge gelesene Literatur für’s Studium und der Text, den Ihr hier lest.
Tag 22 und 23 (27.-28.10.)
Wir machen uns auf die ca. 300km weite Reise nach Merzouga in der Wanderdüne Erg Chebbi, wie angekündigt. Dazu überqueren wir den Hohen Atlas, fahren durch die Ziz-Schlucht und machen einen kurzen Stop bei „La Source bleu de Meski“, der blauen Quelle von Meski.
An der blauen Quelle werden wir sofort von eifrigen Menschen in Empfang genommen. Wir zahlen pro Person 5 Dirham Eintritt (ca 0,50€) und werden von einem jungen Mann, der ganz gut Deutsch spricht, herumgeführt. Die Quelle ist nicht etwa blau, wie der Name vermuten lassen würde. In früheren Zeiten wurde die Oase von reisenden Tuareg als Station genutzt. Deren Gewänder waren intensiv blau gefärbt und beim Waschen dieser Gewänder färbte sich das Wasser blau. Ja. Das ist das Geheimnis. Es ist inzwischen ein für unseren Geschmack arg ausgebeuteter Platz, an dem wir weder campen noch sonst irgendetwas tun möchten. Im Moment wird an der Anlage gebaut, die Quelle wird umgeleitet – kein schöner Anblick. Dem Touristen-Schicksal entkommen wir nicht, es folgt ein Verkaufsgespräch bei Minze-Tee. Der Bruder (???) unseres Führers nimmt sich unserer an. Nun sind wir beide gut trainierte Verkäufer und Nicht-Käufer und entziehen uns erfolgreich dem Teppichkauf, zum Leidwesen der Beiden. Sie taten uns leid, aber da sie so gar nicht auf uns eingegangen sind, fand sich leider kein Produkt, das für uns gepaßt hätte. Was tut man in solch einer Situation sinnvollerweise? Die Situation geht uns immer wieder durch den Kopf, eine gute Lösung dafür haben wir nicht. Wenn wir heute schon anfangen, aus Mitleid Teppiche zu kaufen, können wir bald mit einem Anhänger weiterfahren.
Ein wenig verstört fahren wir weiter Richtung Merzouga. Der Anblick der Düne lenkt uns direkt von unseren Gedanken ab und die letzten 5km Piste benötigen unsere volle Aufmerksamkeit. Auf der Weiterfahrt wird sich herausstellen, daß sich durch die Rüttelei das Dachzelt um 1cm verschoben hat.
Doch unsere Entschädigung ist grandios: wir sind die einzigen Gäste auf La Baraka und bekommen die Möglichkeit, die Nacht ganz allein, nur mit den notwendigen dienstbaren Geistern im Wüsten-Camp zu verbringen. Eine geniale Aussicht, grad sind wir 1 oder 2 Nächte vor Neumond! Zaid, der Besitzer, regelt alles ganz geübt und gegen 19:30 Uhr starten wir zu einer 10-minütigen Fahrt mit seinem Defender.
Im Camp können bis zu 80 Leute übernachten, wir haben es für uns allein. Es folgt ein 3-Gänge-Menü und wir haben einen grandiosen Blick auf den Sternenhimmel, ohne störende Lichter. Nicht einmal kalt ist es, die Kamelhaar-Decken wärmen wundervoll. Und Sternschnuppen gibt es zu sehen, es ist schon fast unheimlich, WIE perfekt diese Nacht ist. Gegen 4:30 Uhr stehen wir nochmals auf, die Möglichkeit des Sterne-Bewunderns läßt uns keine Ruhe. Gegen 7:00 Uhr ist dann erneutes Aufstehen angesagt, um die Düne zu erklimmen und den Sonnenaufgang zu erleben:
Anschließend gibt es Frühstück und gegen 8:30 Uhr werden wir wieder mit dem Landy abgeholt. Zaid ist ein überaus angenehmer Gastgeber, wir können unsere Wäsche waschen lassen, haben Ruhe und Platz zum Lesen / Studieren und starten am Samstag-Morgen aufgrund des Neumondes gleich zur nächsten Stern-Beobachtung, zum Sahara-Sky nach Tamegroute, südlich von Zagora.
Tag 24 und 25 (29.-30.10.)
Die Fahrt zum Sahara-Sky ist, ehrlich gesagt, trist. Die Berge bieten dem Auge nicht wirklich Abwechslung, wir bewegen uns zwischen Steinen, Steinwüste, Geröllwüste, und Bergen, die aus Fels bestehen. Aus dem schieren Nichts tauchen jedoch immer wieder Schaf- oder Ziegenherden auf, hie und da eine Ansiedlung, der Landstrich ist echt dünn besiedelt. Die Straße, die wir fahren, ist auf unserer Landkarte (die aktuellste von Michelin, die es gibt), als Piste eingetragen, doch Zaid sagte uns, daß sie asphaltiert ist. Recht hat er. Doch das scheinen so wenige Menschen zu wissen und sie zu nutzen, daß sich diese wenigen Autofahrer gegenseitig grüßen!!! Im Ernst: man fühlt sich einsam und freut sich, einen MENSCHEN zu sehen. Für potentielle Marokko-Fahrer: es ist die N12 von Tazzarine nach Zagora.
Auch die längste Fahrt durchs marokkanische „Outback“ hat ein Ende und kaum in Zagora eingefahren, werden wir von einem jungen Mann auf einem Moped begleitet. Als wir endlich an einer roten Ampel stehen bleiben müssen, schafft er es, daß Oli das Fenster öffnet. Es ist ein örtlicher Handwerker, der uns seine Dienste offeriert, für den Fall, daß das Auto diese benötigt. Abschmieren, Waschen, Reparaturen, falls notwendig. In der Tat sehen wir am Straßenrand immer wieder Werkstätten, in denen geschweißt und geschraubt wird. Bisher hat Oli alle Handgriffe selbst erledigt. Gut, Waschen wäre eine Idee, das fällt uns aber erst am nächsten Tag auf, als wir uns mit einem „Kollegen“ aus Aschaffenburg austauschen. Beim nächsten Mal machen wir das! Es ist ja auf jeden Fall ein Thema, daß all die Touristen, die durch das Land fahren, diesem auch etwas Gutes tun sollten. Nicht auf eine herablassende Art und Weise, sondern indem man angebotene Dienstleistungen nutzt, wie in diesem Fall – da haben wir zu spät „geschaltet“. Sorry, junger Mann. Diese Vermeidungshaltung kommt allerdings nicht von ungefähr, wir erleben eben auch viel Bettelei und Aggressivität, wenn wir nichts geben. Es ist eine Gratwanderung, sich in einer so fremden Welt zu bewegen.
Etwa 20km südlich von Zagora liegt Tamegroute und dahinter wiederum das Hotel „SaharaSky“, direkt vor der Düne Tinfou. Ich hatte mir das Beobachten des Sternhimmels nahe der Wüste spannend vorgestellt und wurde ja in Erg Chebbi diesbezüglich schon verwöhnt. Im „SaharaSky“ gibt es diverse Teleskope, mit und ohne GPS-gebundener Steuerung und einen „Hausastronomen“, Patrick, der über ein unglaubliches Wissen verfügt. Er nimmt sich unser an und gibt uns einen Wahnsinns-Astronomie-Kurs von sicherlich 3 Stunden. Und das in Deutsch, obwohl er Niederländer ist. Am nächsten Morgen gibt es auf der Terrasse nochmals eine Beobachtung: die Sonne per Teleskop. Grad ist die Sonnenaktivität nicht sehr hoch, aber 2 Protuberanzen sind zu sehen. @ Patrick: danke nochmals! Ein tolles Erlebnis!!!
Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Skoura, ca. 40km hinter Ouarzazate. Unterwegs prüfen wir noch 3 Campingplätze bzgl. der Mobilfunkqualität, am 3.11. ist wieder ein Webinar und die Teilnahme soll unbedingt klappen. Wirklich überzeugend ist das Netz nirgendwo… Marokko: hier geht alles, nur nicht schnell. Auch Mobilfunk nicht. Tranquille. Das Schlagwort hier. Oder: „marocaine internet“ und ein liebevolles Lächeln dazu.
Die Straße von Zagora bis Ouarzazate, insgesamt ca. 170km, ist im Grunde eine einzige Baustelle. Es gibt ständig Ausweichwege, weil Brücken gebaut werden. Hut ab, daß so viel gebaut wird, aber das Fahren ist schon sehr anstrengend so. Dafür ist die Landschaft wieder grandios. Wir überqueren den Tizi’n-Tinififft-Pass mit 1660m. Hier ein paar Impressionen:
Kurz vor unserem Ziel, der Kasbah 1.2.3.Soleil bei Skoura, bringt uns wiedermal das Navi in die Bredouille. Die Kasbah liegt in der Palmeraie, dorthin gibt es keine „richtige“ Strasse. TomTom interpretiert jedoch Wege als Wege, die selbst für ein Geländefahrzeug nicht machbar, weil zu eng, sind. Oli muß rückwärts manövrieren, kein Spaß, aber es geht gut aus und nach einiger Sucherei stehen wir vor dem Eingang:
Einen Eindruck von der Anfahrt erlebt Ihr hier.
Die Kasbah 123soleil können wir wegen der angenehmen Gastgeber wirklich empfehlen.
Tag 26-29 (31.10.-3.11.) in der Kasbah 1.2.3.-Soleil
Eigentlich wollen wir mal wieder im Dachzelt nächtigen, doch das Angebot für ein Zimmer incl. Frühstück ist im Vergleich zum Stellplatz so verlockend, daß wir „umkippen“. Dusche mit Warmwasser gibt es jetzt im Herbst draußen in der Campingplatz-Dusche nicht mehr, wir müßten eh ins Haus gehen… Also, Klamottenkiste gepackt und hinein ins Haus.
Wie so oft ist unser Hauptproblem das Internet. Maroq Telekom mit 3G funktioniert nicht. Laut Hassan, dem Eigentümer, ist sein Internetzugang über Festnetz gut. Zur Probe skypen wir, was so gut funktioniert wie in Deutschland. Daraufhin beschließen wir, bis zum 4.11. zu bleiben. Bis auf einen Tag, an dem wir eine Offroad-Tour fahren, gehört die Zeit dem Studieren, Blog-Schreiben, Essen (wir werden schier gemästet). Hassan und seine Frau kümmern sich toll um uns. Wir werden mit in die Familie einbezogen, dürfen beim Brot-Backen zuschauen, das Haus besichtigen, werden ins Familien-Haus zum Essen eingeladen.
Am Tag des Webinars, man soll es kaum glauben, „spinnt“ das Netz. Kein Zugang zu irgendeinem Server ist möglich. Voller Sorge wollen wir nach Skoura fahren, um ein Fleckchen zu finden, an dem 3G funktioniert. Hassan bekommt das mit, verspricht, daß er sich kümmert und in einer Stunde alles funktioniert. Wir fahren trotzdem, doch das Netz ist nirgendwo gut, ständig springt die Anzeige von 3G auf H+ und zurück, es ist wie verhext. Nun bleibt nichts anderes, als zurückzufahren und das Beste zu hoffen. Zurück in der Kasbah teste ich – Zugang zum Netzt ist o.k. Um kurz vor 17:00 wähle ich mich im Webinarraum ein – „Verbindungsstatus schwach“. Meine Nerven!!! Jedoch hält die Verbindung die gesamten eineinhalb Stunden und ich bekomme alles mit. Aktive Teilnahme sieht anders aus, aber besser als beim letzten Mal ist es – immerhin. Vielleicht sollten wir die Reise ausdehnen, da es ja von Mal zu Mal besser wird??? Dabei hat Oli heldenhaft verhindert, daß sich 2 Italienerinnen, die inzwischen angereist sind, im eh schon schwächelnden Netz anmelden. Ich muß schon sagen, Studieren auf Reisen ist eine Herausforderung.
Tag 27 (1.11.) Offroad in die Dadès-Schlucht
Einen Ausflug in die Dadès-Schlucht wollen wir auf jeden Fall machen. Hassan zeigt uns auf der Karte eine Piste, die wir ansonsten gar nicht erahnt hätten und meint, daß sie passierbar ist. Optimistisch wie immer glauben wir, dass das stimmt und brechen am Dienstag auf. Für alle Offroader: Skoura-Kalaat M’gouna auf der N10 (Asphalt), von dort aus auf der P1502 (teilasphaltiert) bis Bou Thrar entlang des Oued M‘Goun, dann Piste Richtung Âit-Youl in der Dadès-Schlucht. Hier ein paar Eindrücke aus der Schlucht:
Herzerweichend und Hut-Ab: es gibt offenbar auf der nicht per Straße erreichbaren Seite der Schlucht Höhlen, die von Menschen bewohnt werden. Wir haben sie nur entdeckt, weil eine Person im Flußbett lief und die Seite wechselte. Daraufhin haben wir gesucht, welches Ziel sie angesteuert haben mag. Wie beschwerlich und mit wie wenig Komfort der Mensch zu leben vermag, verblüfft und erdet uns immer wieder.
Tag 30 (4.11.) durch die Todra-Schlucht
Nach (vermeintlich) erfolgreichem Webinar machen wir uns gleich am nächsten Morgen auf die Weiterreise. Die ungefähre Vision ist, von Skoura bis Tinerhir der N10 zu folgen, dort in die Todra-Schlucht einzufahren, den Hohen Atlas zu überqueren und möglicherweise in Imilchil zu übernachten. Das machen wir auch:
Hier zwei der vielen Kasbahs, die entlang der N10 zu finden sind. Stolze Häuser inmitten von NICHTS.
Bei Tinerhir ein weiterer, für europäische Augen erstaunlicher Anblick:
Wir werden darüber noch mehrmals „stolpern“, Baugebiete werden erschlossen, Strassenlaternen gesetzt und bestimmt werden eines Tages auch Häuser gebaut. Aber nun zur traumhaften Todra-Schlucht. Wir fahren, ständig die Flussseite wechselnd, in die Berge. Hier sind wesentlich weniger Autos als in der Dadès-Schlucht unterwegs, es ist eine traumhafte Fahrt. Gut, Brücken werden überbewertet, man fährt halt hin und wieder durchs Flussbett. Doch da das trocken ist, fällt es nicht ins Gewicht. Bei Schneeschmelze oder Regen möchten wir uns hier jedoch nicht aufhalten:
Den Tizi-Tirherhouzine-Paß mit 2.700m überqueren wir, ohne daß LEO unter Atemnot leidet, aber die Anforderungen sind schon zu spüren. Auf der abfallenden Seite des Gebirges durchqueren wir wiederum mehrfach den Fluß.
Die Gegend ist ziemlich einsam und doch gibt es ständig kleine Ansiedlungen, die Menschen bewirtschaften die Flächen um den Fluß herum, der das notwendige Wasser mitbringt. Unser Eindruck ist, daß hier eine heftige Armut herrscht. Wenn wir durch Dörfer fahren, werden wir von Kindern schier verfolgt, die aggressiv betteln, die Zunge herausstrecken, das Auto mit Steinen oder anderen kleinen Gegenständen bewerfen, weil wir ihnen keine Süßigkeiten mitgebracht haben. Einmal haben wir Sorge, Kinder zu überfahren, weil so viele um uns herumlaufen. Einer der Erwachsenen bedeutet uns, daß wir beschleunigen sollen…
Wollen wir hier übernachten??? Nein, das wollen wir nicht.
Es ist noch hell (Sonnenuntergang ist gegen 17:45 Uhr) und wir peilen an, nun auch noch den Mittleren Atlas zu überqueren um wenigstens bis Kasba Tadla zu fahren. Gesagt – getan. Doch wir finden auch hier keinen „gescheiten“ Platz zum Übernachten… der nächste, der uns interessant scheint, liegt kurz vor Marrakesch. Das wären dann über 600km!!! Aber am Ende entscheiden wir uns dafür, diesen Platz anzusteuern. Oli fährt die „Nachtschicht“, ich bin inzwischen nicht mehr fit. Wir haben ja schon etliche nicht so ganz mit dem deutschen Verkehrsrecht zu vereinbarende Dinge erlebt, aber diese Fahrt bringt noch einige Erlebnisse mit sich. Radfahrer und Mopedfahrer haben grundsätzlich keine Beleuchtung am Fahrzeug. Es gibt weder Randstreifen, Mittellinien noch Seitenpfosten oder ähnliche Hinweise, wo denn die Fahrbahn verläuft. Baustellen sind nicht beleuchtet, auch die im Gebirge nicht!!! Es ist eine anstrengende Fahrt.
Kaum 13 Stunden nach dem Start, gegen 23:30 steuern wir den wundervollen Platz „Les Jardins d’Issil“ an. Verpeilt, weil todmüde, schicke ich Oli zielsicher an der Einfahrt vorbei, wir fahren ca. 100m an einer Hauswand und Dornenhecke entlang, bis wir feststellen, daß da etwas nicht stimmt… Die Rückwärtsfahrt war ein Spaß! Doch zum Glück haben wir weder die Mauer gestreift noch einen Reifen geschrottet. Inzwischen ist man auch auf dem Platz auf uns aufmerksam geworden und geleitet uns sehr freundlich (um 23:30 Uhr!!!) zu einem Stellplatz.
Hier Eindrücke des zauberhaften Platzes:
Tag 32 (6.11.) Marrakesch
Eine Fahrt nach Marrakesch hinein trauen wir uns nicht mit unserem LEO. Am Vortag haben wir über den Campingplatz einen Guide sowie den Transfer organisiert und pünktlich (!) um 10:00 Uhr steigen wir ins bereitstehende Taxi. Überhaupt stellen wir immer wieder fest, daß alle Absprachen eingehalten werden, die Leute sind absolut verlässlich und um ihre Gäste bemüht. Unser Guide Mohammed nimmt uns in Empfang und wir besuchen die gängigsten Sehenswürdigkeiten: den Bahia-Palast, die Saadier-Gräber , den Gaukler-Platz und den großen Basar.
Nach dem abschließenden Gang durch einen kleinen Teil der Medina steigen wir erschöpft in unser Taxi und lassen uns „nach Haus“ fahren. Marrakesch ist eine aufregende Stadt, für uns eine Spur zu anstrengend und so sind wir froh, zurück in der Stille des Campingplatzes zu sein. Inzwischen haben wir herausgefunden, daß am nächsten Tag ein neuer Welt-Klima-Gipfel in Marrakesch startet und wir ab dann keine Chance gehabt hätten, die Stadt anzuschauen. Wie schön, daß wir das heute gemacht haben!
Gegen Abend wird es kühler, wir stellen das Öfchen auf und heizen ein, es fängt in der Ferne an zu blitzen, aber eigentlich kann es ja nicht sein, daß UNS ein Unwetter ereilt. Dachten wir. Die Realität belehrte uns eines Besseren und binnen weniger Minuten müssen wir alles abbauen, einpacken und versuchen, das Zelt zu sichern – was nur zum Teil gelingt. Es geht ein Wahnsinns-Unwetter nieder, wir sind komplett durchgeweicht und flüchten uns in den Hauseingang eines der Bungalows auf dem Platz. Als der Regen etwas nachlässt, verkriechen wir uns samt der nassen Klamotten (wohin nur damit – das müssen wir besser absichern) in unser Dachzelt. Es regnet und stürmt die ganze Nacht. Wir würden gern weiterfahren, nur – was machen wir mit dem völlig durchnässten Zelt??? Wir stehen inmitten einer Lehm-Matsch-Pfütze! Und WOHIN soll es gehen?
Als der Regen nochmals nachlässt, parken wir das Auto um, so daß es auf Kies steht, packen alles ein, sichern Matratze und Schlafsäcke mit Folien aus aufgeschnittenen Müllsäcken und nach 3 Stunden Arbeit sagen wir Marrakesch „Au-revoir“ und nehmen Kurs auf Essaouira am Atlantik.
Tag 33-34 (7.-8.11.) Essaouira
Es ist der Tag, an dem der Klima-Gipfel in Marrakesch beginnt, das bedeutet, es gibt noch mehr Polizei-Kontrollen als sonst und die Zufahrtsstraßen zur Innenstadt sind gesperrt. TomTom navigiert uns zuverlässig wie immer in die gewünschte Richtung und gegen 16:30 erreichen wir den Platz „Complexe touristique Le Calme“ in der Nähe von Essaouira. Le Calm bedeutet „Ruhe“ und die haben wir tatsächlich. Wir sind mit einem weiteren Wagen die einzigen Gäste, der Platz liegt inmitten von Arganbäumen .
Etwas kurios ist, daß die Sanitärräume sehr niedrig geraten sind:
was das Duschen für Oli nicht grad einfach gestaltet. Merke: es lebt sich leichter unter 1,85m Körpergröße. Meine Wenigkeit hat keinerlei Probleme.
Am nächsten Morgen frühstücken wir in Ruhe, kümmern uns um all die feuchten Utensilien und lassen uns dann mit einem Taxi nach Essaouira fahren. Nicht umsonst nennt man diese Stadt die „Stadt des Windes“:
Angelehnt an die Architektur von St. Malo in der Bretagne finden wir einiges, was wir dort gesehen haben, wieder. Auf jeden Fall ist es hier wesentlich ruhiger als in Marrakesch und wir fühlen uns wohl. Wir genießen ein Meeresfrüchte-Menü im Hafen, lassen uns durch die Medina treiben und fahren gegen Abend zurück zum Campingplatz.
Tag 35 (9.11.)
Am Vormittag setzen wir unsere Reise in Richtung Süden fort. Entlang der Küste überqueren wir die Ausläufer des Hohen Atlas und erreichen Agadir. Diese Stadt, obwohl die bisher südlichste, scheint uns europäischer als alle bisher gesehenen. Merkwürdig, aber so ist es. Hier wirkt alles leicht, sonnig, modern. Einfach schön. Agadir hat einen der wenigen staatlichen Supermärkte und wir nutzen die Gelegenheit, uns mit Rotwein einzudecken, der in den sonstigen kleinen „Lädchen“ nicht zu bekommen ist.
Danach geht es weiter nach Sidi Ouassai zum Camping „Sidi Wassay Beach“, ca. 50km südlich von Agadir. Der Platz ist im Campingführer sehr gut bewertet und beschrieben, doch auf uns wirkt er etwas verwahrlost, obwohl direkt am Ozean platziert. Es gibt sicher um die 120 Stellplätze, wir sind genau die 4. Gäste, die da sind. Hier zeigt sich, daß sich die Welt verändert: viele französische Touristen bleiben weg. Man kann nur spekulieren, warum, doch wird immer wieder die Angst vor dem Terrorismus genannt. Auch von den vielen deutschen „Überwinterern“ sehen wir nichts. Ist es noch zu früh? Anfang November mit einbrechendem Winter in Deutschland?
Wie auch immer, es gibt funktionierende Sanitäranlagen, heißes Wasser zum Duschen – das ist das, was wir brauchen und wir sind zufrieden. Der Platz ist eigentlich sehr schön:
Die Luftfeuchtigkeit ist extrem hoch, am nächsten Morgen staunen wir über das nasse Zelt:
In der Dunkelheit (alle Lampen am Platz wurden entfernt) machen wir einen Spaziergang durch den Ort. Ich würde mich allein fürchten, alles wirkt verlassen, hin und wieder sitzen ein paar Menschen irgendwo herum, die aber sehr freundlich reagieren. Eine seltsame Atmosphäre. Ich überlege, daß z.B. ein Wintersportgebiet außerhalb der Saison auch sehr verlassen wirkt. Also wünschen wir dem Platz (und dem Land), daß der Touristen-Strom noch folgt.
Tag 36-38 (10.-12.11.)
Der Süden lockt uns und so ziehen wir am Vormittag weiter. Ziel ist ein einsam gelegener „Ksar“ ca. 30km vor Tan-Tan. Ungefähr ab dort werden die Reisenden noch kritischer als sonst von der Polizei betrachtet und wir haben natürlich Respekt vor ausführlichen Kontrollen. Ich glaube, ich hatte das noch gar nicht erwähnt: vor jedem etwas größeren Ort gibt es Polizeikontrollen mit Nagelsperren. Bisher wurden wir immer durchgewinkt, nur Einheimische wurden kontrolliert. Doch da die Westsahara-Gebiete völkerrechtlich umstritten sind, wird von Reisen in diese Region abgeraten und stärker kontrolliert. Wir überqueren den Anti-Atlas , ein Gebirge, das trotz des ähnlichen Namens wesentlich älter ist, als Hoher und Mittlerer Atlas. Die Landschaft ist wieder grandios:
Eine kleine Pause bringt Ungemach mit sich. Das Zwischendach, das sich zwischen Zelt und Autodach befindet, läßt sich nicht wieder zurückschieben. Die Träger des Zeltes haben sich etwas durchgebogen und verhindern das Zurückschieben. Was tun? Grad auf dieser Fahrt hatten wir darüber philosophiert, daß uns die Dachzelt-Lösung für längere Reisen doch zu „schmalbrüstig“ ist und wir in Richtung Expeditionsfahrzeug tendieren. Schutz gegen Sturm, Regen / Unwetter, Aufenthaltsmöglichkeit in Dunkelheit und in heftiger Hitze, einfach auch Privatsphäre, vielleicht ein eigener Sanitärbereich sind Themen, die uns beschäftigen. Wir interpretieren das Problem als Fingerzeig und lassen das Dach schweren Herzens zurück:
Unter anderem haben wir inzwischen gelernt, daß es in Marokko keinen „Müll“ gibt. Hier kann jeder alles brauchen, damit beruhigen wir das aufkommende schlechte Umwelt-Gewissen. (Auf der Rückfahrt war das Dach tatsächlich nicht mehr da…).
Eine Stunde später biegen wir von der Nationalstraße 1, die nach Mauretanien führt, ins Gelände ab und nach 6km Rüttelpiste sind wir da im „Ksar Tafnidilt“. „Ksar“ bedeutet ungefähr „befestigtes Dorf“, wir haben mehrmals erlebt, daß auch einzelne „Höfe“ so benannt wurden. Abseits von jeglicher Ansiedlung, völlig autark, was Energie, Wasser, Abwasser und Müll angeht. Hier bekommt „Ruhe“ nochmals eine ganz neue Qualität.
Die Anlage ist eigentlich ein Hotel, die Beherbergung der 4×4-Gäste auf dem Stellplatz außerhalb ist mehr ein Nebenprodukt. Und so werden wir am Abend von 2 Hotelangestellten zum Willkommens-Tee eingeladen. Sie kommen zu uns nach draußen ins „Aufenthalts-Zelt“, eine geniale Einrichtung. Das Wetter wechselt von heftigem Sturm zu Kälte, da ist so eine Zuflucht Gold wert. Wir lasen, daß der Eigentümer der Anlage ein Herz für Offroader hat – das zeigt sich u.a. hier.
Der nächste Tag ist wieder ein Ruhe-, Blog- und Studiertag.
Am Samstag ruft schon wieder die Abenteuerlust. Oli will ja gern offroad fahren (von hier kommen wir eh nicht anders weg…) und so peilen wir einen Rundkurs an. Vom Ksar aus westlich bis zur Draa-Mündung, weiter Richtung Norden zur Noun-Mündung, von dort wieder östwärts zur N1. Das sind fast 100km Piste und die haben es in sich. Rüttelpiste vom Feinsten, kleine Anteile Sand, Felswüste, Wahnsinn. Ein Gedanke war, noch den „Plage Blanche“ „mitzunehmen“, doch das ist ausgeschlossen. Die Belastung für uns und das Auto ist heftig und nochmal 60-80km mehr sind nicht drin. Wir sind froh, daß LEO mal wieder durchgehalten hat! In der Früh hatte Oli entdeckt, daß eine der Sandblechhalterungen erneut gebrochen war und so hatten wir diese gleich im Dachzelt unter der Matratze verstaut. (Ein ganz neues Schlafgefühl übrigens, auf Sandblechen!!!)
Hier einige der wundervollen Eindrücke:
Tag 39-40 (13.-14.11.)
Aufbruch – sollen wir oder sollen wir nicht? Hier ist es so schön? ABER: die Sanitäranlagen – nicht-europäisch (will u.a. heißen, Männer und Frauen teilen sie sich), der Platz uneben, plötzlich mehrere Nachbarn (man wird schon etwas sonderlich auf einer so langen Reise…) und nach anfänglichem guten Mobilfunknetz gibt es jetzt gar keines mehr. Frühstücken – Überlegen – Abwägen – dann der Entschluß: Abreisen. So plötzlich, daß wir ganz vergessen, ein paar vorher noch geplante Fotos zu schießen. Es zieht uns inzwischen auch ein wenig nach Haus, das müssen wir zugeben. Also, auf auf, Richtung Norden. Wir peilen einen Platz an, der von einem französischen Ehepaar geführt wird, bei Sidi Bibi, ca 20km südlich von Agadir, Camping Takat. Das Wetter meint es inzwischen sehr gut mit uns, doch abends, ab 18:30, wenn die Sonne fehlt, ist es dann doch zu kühl, um draußen zu sitzen. Zum Glück gibt es einen Aufenthaltsraum, in dem wir bis 21:00 bleiben können und in dem auch Wein und Bier ausgeschenkt werden.
Am Montagvormittag machen wir uns auf die Suche nach einer Werkstatt, in der man die Sandblech-Halterungen erneut schweißen kann. Das ist ganz unkompliziert, Said aus Sidi Bibi hilft uns:
Danach machen wir einen Ausflug an das nicht weit entfernte Meer, können nun unsererseits jemandem helfen, dessen Auto nicht mehr anspringt und endlich gelingt es auch mal, die Füße in den Atlantik zu stellen:
Die Krönung des Tages ist ein Obst-Einkauf. Für ungefähr 1kg leckere Orangen zahlen wir 3 Dirham. Das sind etwa 0,30€!!! Und ein weiteres Highlight: wir treffen ein Paar, das aus unserem Nachbarort kommt und hier überwintert. Die Welt ist ein Dorf, oder? Am Mittwoch-Nachmittag kommt der Friseur für uns 2 Frauen heraus zum Campingplatz. @ Georg: sorry – die „Wolle“ auf meinem Kopf muß geschoren werden. Am Donnerstag dann werden wir weiterziehen und nochmal in Marrakesch Quartier nehmen, weil am Freitag-Abend eine Prüfung stattfinden wird und ich ein gutes und STABILES Netz brauche. Soweit der Plan.
Tag 41-43 (15.-17.11.) immer noch Sidi Bibi bei Agadir und 2. Fahrt nach Marrakesch
Am Dienstag ist wieder ein Ruhe- und Studiertag notwendig. Hier gibt es außerdem eine Waschmaschine, Wind und Sonnenschein – perfekt zum Waschen. Dabei fällt uns auf, daß unser treuer Begleiter auch eine Wäsche notwendig hat. Da der Friseurtermin erst am Mittwoch Nachmittag ist, bleibt am Vormittag Zeit, uns darum zu kümmern. In Sidi Bibi gibt es 2 moderne Tankstellen mit Wasch- und Service-Station, die fast besser sind als deutsche:
LEO bekommt eine Hochdruckwäsche plus manuelle Trocknung und macht danach wieder einen ganz anderen Eindruck. Einmal unterwegs, fahren wir weiter zu einem Fischerdorf, in dem es ein Fischrestaurant geben soll. Kaum angekommen, wird uns ein frisch gefangener Fisch angeboten und für 50DH (ca. 5€) „gehört“ er uns. Dann wird er an das „Restaurant“ weitergegeben, wir kündigen uns für in ca. 15 Minuten an und die Dinge nehmen ihren Lauf. Als wir nach einem Spaziergang dort ankommen, wird grad ein Tintenfisch angeliefert, den wir auch noch ordern.
Nun, der erste Fisch wird serviert, eine Katze findet sich zum Betteln ein, der Tintenfisch folgt, schmeckt uns leider überhaupt nicht und beim Bezahlen folgt der Schock: der Service des Zubereitens plus Salat und Getränke kosten das 1,5-fache der Fische. Wir sind mal wieder Opfer unserer europäischen Manieren geworden, denn die Preise muss man VORHER aushandeln. So lernen wir täglich dazu.
Zurück am Campingplatz finden sich wir 3 Deutschen (das Calwer Paar plus meine Wenigkeit) an der Rezeption ein, 15:00 soll es ja mit dem Frisieren losgehen. Inzwischen auf marokkanische Verhältnisse eingestimmt, gehe ich davon aus, daß der Nachmittag für die Unternehmung grad so ausreichen wird – mal schauen. Die Kurzfassung in Stichpunkten:
- Der Start verschiebt sich auf 15:30
- Dann stellt sich heraus, daß ich entweder alles falsch verstanden habe oder sich etwas geändert hat.
- Wir zwei Frauen werden zu einer Damenfriseurin (Coiffeuse) gefahren, der Herr zum Herrenfriseur (Coiffeur). Weil – ein Mann darf nicht in einen Damensalon gehen, eine Frau nicht in einen Herrensalon. Jacky, der Campingplatzbetreiber, bringt und holt uns.
- Im Salon angekommen, stellt sich heraus, daß das einer der Damen-Treffpunkte der arabischen Welt ist. Wir werden mit Küßchen begrüßt wie alte Bekannte und – warten.
- Als ich drankomme, gibt es für meine Kurzhaarfrisur keine Schneidemaschine, weil die marokkanische Frau das Haar lang trägt.
- Egal, die Haare werden gekürzt und ich fühle mich sehr wohl.
- Zu Fotografieren habe ich mich nicht getraut im Salon. Als wir am nächsten Tag daran vorbeifahren und ich ihn fotografieren will, finde ich ihn nicht mal mehr. So dermaßen unscheinbar von außen! Dabei dachte ich, mein Blick wäre etwas marokkanischer geworden. Das betrübt mich. Aber gut, es war ein herrlicher Einblick ins marokkanische Leben, den ich sehr genossen habe.
Am nächsten Morgen fahren wir nach einem Einkauf im Supermarkt von Agadir zuerst auf der N10 Osten Richtung / Ouarzazate, um dann bei Tafingoult auf die R203 Richtung Norden / Marrakesch abzubiegen. Unterwegs fällt uns wieder einmal auf, daß die Kinder und Teenies ihren Schulweg mit Fahrrädern bewältigen. Aber WIE, muß man gesehen haben. Was sind wir Deutschen für Hasenfüße und Sicherheitsfanatiker.
Überhaupt, marokkanische Menschen sind ein überaus mobiles und bewegliches Völkchen. Wir haben den Eindruck, daß alle ständig in Bewegung sind. UND: es gib fast keine übergewichtigen Männer, Frauen schon. Diese leben anscheinend ein ganz anderes Leben als die Männer.
Die heutige wird unsere 4. Überquerung des Hohen Atlas sein. Auch diese ist spektakulär. Sie führt über den Tizi n’Test mit etwa 2.100m. Es ist die Überquerung mit der schlechtesten Straße und engsten Straße und mehrere Male wird es heikel. Doch das Erlebnis ist einfach herrlich. Sogar Gleitschirmflieger sehen wir. Zwar finden wir weder Absprungrampe noch Landeplatz in uns bekannter Dimension, aber irgendwie wird es schon gehen.
In unserer Begeisterung vergessen wir mal wieder die Zeit und kommen arg unter Zeitdruck, weil der Sonnenuntergang naht. Wir schaffen es nicht im Hellen und da unser angepeilter Campingplatz im Norden der Stadt liegt, muß Oli, der aktuelle Fahrer, Marrakesch bei Dunkelheit durchqueren. Was ein Gewusel, Gehupe usw!!! Aber er schafft es, uns unbeschadet ans Ziel zu bringen. Ein Glück!
Tag 44-47 (18.11.-21.11.) Marrakesch und Chèchaouen
Am Freitag steht die Prüfung um 17:00 im Mittelpunkt. Ich denke, daß ich gut vorbereitet bin und so gehen wir den Tag ruhig an. Wir haben mit inwi 4G-Netz, wie schon beim ersten Marrakesch-Besuch festgestellt – wunderbar. Wir frühstücken und werden plötzlich auf Deutsch angesprochen. Ein „fliegender Händler“ will uns etwas verkaufen. Langsam wird es auch Zeit, ein paar Souvenirs zu kaufen und so lasse ich mich aufs Handeln ein. Die kuriose Bezahlung: etwas Geld, ein paar Kugelschreiber, Feuerzeuge, 1 Banane und ein Schluck Rotwein, abgefüllt in eine flugs gezückte 0,5-Liter-Wasserflasche:
In einer Pause beim Einlesen in die Prüfungsthemen schauen wir uns den Platz genauer an, u.a. gibt es einen „Fitness-Platz“. Und die verschiedenen Kakteen begeistern mich immer wieder. Bin halt Europäerin…
Schließlich tauchen 2 Pfaue auf, Oli traut sich sogar, einen davon zu füttern:
Dann ist es soweit, die Prüfung startet. Besonders gut gelingt sie nicht, ich bin nicht zufrieden und daher auf das Ergebnis gespannt. Es gab auch große interne technische Probleme beim Institut in Deutschland, die erst bei der Prüfung wahrgenommen wurden. Wir sind der erste Jahrgang dieses Studienganges und somit manchmal ein wenig in der Beta-Tester-Rolle.
Inzwischen ist es recht kalt geworden (die nächtlichen Temperaturen fallen schon unter 10°C), Oli hat mich während der Prüfung mit warmer Kleidung versorgt. Nun gehen wir noch auf einen Pastis ins Restaurant. Gut besucht ist auch dieser Platz nicht. Etwa die Hälfte der Fläche ist abgesperrt, eines der Sanitärgebäude steht gar nicht zur Verfügung, die Rezeption unfreundlich – auch hier spüren wir die Tourismus-Flaute. Schade, es tut uns immer wieder leid, das zu sehen. Wieso lassen sich Menschen so schnell ins Bockshorn jagen?
Am Samstag-Morgen kriechen wir trotz der Kühle zeitig aus dem Zelt, da wir bis Azrou fahren wollen, das sind um die 400km. Dort waren wir schon und haben einen damals nicht besuchten Campingplatz ins Auge gefaßt, der modern ist und auch Bungalows anbietet. Wir geben das Übernachten im Zelt gedanklich auf, es ist einfach zu ungemütlich. Während der Fahrt sehen wir, daß die Olivenernte in vollem Gang ist und wir außer jeder Menge Oliven-Bäumen auch riesige Oliven-Aufschüttungen am Straßenrand sehen. Auch die so hoch wie möglich beladenen Lastwagen faszinieren uns.
Trotz der langen Fahrt finden wir keinen Platz, an dem wir mal pausieren können. Das Land ist zersiedelt und wird extensiv bewirtschaftet. Das bedeutet: überall ist jemand. Und dieser „jemand“ kommt neugierig auf uns zu und lädt uns entweder ein – was, wenn wir „Fahr-Tag“ haben, schwierig ist (das muß man beim nächsten Trip besser berücksichtigen) – oder bettelt uns an, was genauso schwierig zu handhaben ist. Schließlich halten wir an einem Supermarkt, um wenigstens mal auf Toilette zu gehen und prompt auf dem Parkplatz warten auch schon wieder ein paar Bettlerinnen auf uns. Obwohl wir uns selbst nicht so sehen, für viele Leute scheinen wir eben reich zu sein. Wir fahren weiter, kommen in Azrou auf dem Campingplatz an – und sehen unsere Nachbarn, die zur gleichen Zeit mit dem Wohnmobil eine Tour durch Marokko machen. Unglaublich und ein großer Spaß.
Leider hat der Platz keine Zimmer oder Bungalows anzubieten, für die Nacht sind 0°C angekündigt und so können wir nicht bleiben. Die Dunkelheit bricht auch schon wieder herein – Mist. Rückwärts fahren wollen wir nicht, die nächste Stadt voraus mit Hotels ist Ifrane. Hier ist alles ausgebucht… Nun ziehen wir Booking zu Rate und buchen ein Zimmer in einem Hotel in Fès. Inmitten der Stadt gelegen, die Anfahrt ist entsprechend nervig, begleitet von einem Moped-Fahrer, der uns irgendetwas verkaufen will, kommen wir an, es gibt einen Platz für LEO auf dem bewachten Parkplatz des Hotels, wir beziehen das Zimmer, gehen zum Essen (zu einem Asiaten – in einer marokkanischen Stadt!!!) und die Welt ist wieder in Ordnung.
Frühstück nehmen wir nicht im Hotel, in unserem „Räuber-Zivil“ fühlen wir uns etwas fehl am Platz. Inzwischen sind wir routiniert im Erkennen der Geschäfte, kaufen Brot und wollen unterwegs frühstücken. Doch weit gefehlt. Obwohl wir durch eine schwach besiedelte Gegend fahren, die Hauptstraßen meiden, gibt es schier keinen Fleck, an dem sich NIEMAND aufhält. Es ist Erntezeit, die Felder werden mit von Eseln gezogenen Pflügen bearbeitet, das Saatgut wird von Hand ausgestreut, überall geht es zu wie auf einem Ameisenhaufen. Gegen Ende der Fahrt stellen wir uns an den Straßenrand, kochen Kaffee und essen etwas. Das ist schon kurios. Die Farbe der Umgebung hat sich verändert, statt rötlich haben wir jetzt fast ein Weiß vor uns und nach wie vor viele Oliven-Bäume:
Da das angesteuerte Chèchaouen (oder auch Chèfchaouen, es gibt mehrere Schreibweisen), auf ca 600m Höhe liegt, haben wir vorgesorgt und ein Hotel mit Parkplatz für LEO gebucht. Leider ist das so nicht ganz richtig beschrieben, weder TomTom noch Google können uns zur angegebenen Straße leiten. Wir stranden an einem Kreisverkehr, ich beuge mich heraus, um nachzufragen – und schon haben wir unseren persönlichen Guide für Chèchaouen. Es ist so, daß unser Hotel in der Medina, also der Altstadt, liegt und gar nicht angefahren werden kann. Doch es gibt natürlich eine Lösung. Mohamed, unser Guide, weist uns in eine Lücke ein, es gibt einen (nein, eigentlich 3) Guard(s) für das Auto und Mohamed begleitet uns zum Hotel. Wir sind mal wieder die „Beute“. Er wartet nämlich am Eingang und übernimmt ganz selbstverständlich unsere „Führung“. Herrlich. Tatsächlich macht es Sinn, jetzt gleich die „blaue Stadt“ zu besichtigen, da ab heute Abend Regen angekündigt ist. Also, auf geht’s:
Unsere Augen empfinden die Stadt als schmutzig und es gibt jede Menge Katzen auf der Suche nach Nahrung. Jedoch: „andere Länder – andere Sitten“, also bleiben wir offen für alles, was wir erleben. Nach ca. 1 Stunde empfiehlt uns Mohamed noch ein Lokal für den Abend, fordert einen Obolus in Höhe des Doppelten, was wir veranschlagt hätten (aber wir geben es ihm natürlich, weil, siehe Fehler vom Fischrestaurant, wir wieder nicht VORHER verhandelt haben) und überlässt uns uns selbst. Das Hotel ist etwas unterdimensioniert, sowohl was die Bauhöhe als auch die Ausstattung für kalte Momente angeht. Doch wir sind zufrieden, schließlich ist das alles besser, als bei 5°C im Dachzelt zu frieren.
Am nächsten Morgen hat sich die Wetterprognose bewahrheitet, es gießt wie aus Kübeln und so haben wir einen wundervollen Tag Zeit, um am Blog zu arbeiten. Ein Ausflug zum Souvenir-Kauf endet arg durchnäßt und so müssen wir noch einen Satz trockene Kleidung und Schuhe aus dem Auto holen. Egal, wir haben beschlossen, morgen auf die Fähre zu gehen und freuen uns auf daheim. Wenn das Wetter mitspielt, werden wir uns noch Gibraltar anschauen sowie die Filmstadt in der Wüste Tabernas in Spanien, in der etliche Western gedreht wurden.
Tag 48-52 (22.11.-26.11.) – nach Haus, nach Haus
Am Abend haben wir schon alles vorbereitet (viel ist es ja eh nicht, was wir an Gepäck haben) um morgens schnell starten zu können. Ich freue mich und kann ab 4:00 Uhr nicht mehr schlafen. Jetzt schon aufbrechen? In der Dunkelheit fahren, während des Regens? Besser nicht. Also warten, warten, warten, bis uns das Handy weckt. Leider tut es das nun grad nicht, weil ich die Töne ausgeschaltet hatte, irgendetwas hatte mich am Abend genervt. Nun, es ist eine halbe Stunde später als angepeilt, alles ist noch im grünen Bereich. Zur Feier unserer Abreise hat sich der Regen etwas abgeschwächt und so kommen wir trockenen Fußes zu LEO. Weit und breit kein Guard in Sicht – leider können wir nun nichts für die Bewachung zahlen… Die Fahrt nach Tanger med offenbart das Ausmaß der Regenfälle. In den nächsten Tagen werden wir die Folgen der Unwetter auch in Spanien und Frankreich noch erleben. Übrigens: in Chéchaouen hat es 8 Tage am Stück geregnet, wie wir jetzt wissen! Die schwierigen Stellen auf der Straße sind wieder in der bewährten Art gesichert:
Wir nehmen dort, wo es sie gibt, die Autobahn und bekommen ein absolut modernes Ticket:
Die Einfahrt in den Hafen verläuft problemlos. Nach dem Einchecken bei der Fährgesellschaft geht es durch zur Paßkontrolle, danach zum Röntgen. Alle Autos stehen dafür an, dann werden etwa 5-6 sehr eng aneinandergestellt und ein Riesen-Röntgengerät mit Riesen-Arm, auf einem LKW, fährt an der Reihe entlang, um mögliche Flüchtlinge zu finden. Zum Glück findet sich keiner. Den Aufruhr wollen wir nicht gern miterleben. Der Rest ist unspektakulär. Das richtige Terminal von FRS, unserer Fährgesellschaft finden und dann warten, bis es 11:00 ist und wir einfahren dürfen. Nur wenige Autos setzen über, es ist ganz ruhig auf der Fähre. Auch das Meer ist ruhig, aber auf der spanischen Seite ist es genauso grau und trüb wie auf der marokkanischen. Damit ist das Projekt „Besichtigung von Gibraltar“ hinfällig und wir peilen „Klein-Hollywood“ Tabernas an. Inzwischen ist auch der Regen wieder unser Begleiter und wir machen uns die größten Sorgen wegen des für morgen erhofften Filmstadt-Besuches. Im Hotel sind wir wohl die einzigen Gäste, doch das Restaurant ist gut besucht und wir genießen unser erstes europäisches Essen seit über 4 Wochen. Am Morgen scheint die Sonne! Also auf zur Filmstadt. Dort haben die schon erwähnten Regenfälle heftige Spuren hinterlassen, doch die Aufräumarbeiten lassen die Besichtigung zu. Hier wurden zahlreiche Filme gedreht, Jack Nicholson und Henry Fonda waren hier! Wir haben ein paar Eindrücke der Gebäude für Euch, wirklich einfangen kann man das Gefühl, das man dort hat, nicht, da müßt Ihr schon selbst hin:
Am Nachmittag nehmen wir dann ernsthaft die Heimreise in Angriff und geben Gas. LEO läuft schier von selbst und wir kommen noch bis Agres, einem kleinen Dörfchen in den Bergen, etwa zwischen Alicante und Valencia. Der Vermieter (ein Schotte, wie sich herausstellt) schickt uns per WhatsApp den Standort des Hotels (naja, Hotel ist etwas übertrieben, aber egal), weil kein Navi diese Adresse findet. Das Richtige für uns, getreu unserer Devise: wenn die Anfahrt schwierig ist, ist die Unterkunft in Ordnung. In der örtlichen Bar werden wir mit Tapas verpflegt, ganz unkompliziert, ein Heidenspaß. Ich bekomme sogar einen schönen Tee. Nach wir vor treffen wir in Spanien kaum jemanden, der Englisch oder Französisch spricht und wir sprechen kein Spanisch. Spanisch-Lernen ist also ein Thema für die Zukunft. Doch irgendwie geht es immer, Menschen sind erstaunlich kommunikative Wesen. Frühmorgens ziehen wir weiter, mal schauen, ob wir es bis Frankreich schaffen, das sind etwa 650km. Schneller als 110km/h wollen wir nicht fahren mit LEO, dann wird es ungemütlich laut und er verbraucht sehr viel Benzin oder Gas. Wir schaffen es. Sogar ein ausgedehnter Stop am Meer zur Mittags-Rast ist drin:
Wir nehmen ein Hotel in Narbonne, das Abendessen fällt nochmal eine Spur europäischer aus, nämlich Spaghetti Bolognese. Nun sind es noch 1030km. Das Ein- und Auschecken geht immer flott, wir reisen mit leichtem Gepäck,
da bei dieser Art des Reisens keine Koffer und Reisetaschen unterzubringen sind. 1000km schaffen wir nicht, wir nehmen unser letztes Urlaubs-Quartier in Besançon, ab hier sind es noch ca. 400km. Die legen wir recht flott zurück und gegen 14:30 Uhr am Samstag rollen wir in unser kleines Dörfchen ein. Wir sind in einer ambivalenten Gefühlslage: froh und glücklich, gesund und ohne Panne nach 12.000km wieder daheim zu sein, wehmütig, weil es eine sehr schöne Zeit war. Doch für uns steht fest: nach der Reise ist vor der Reise. Am Equipment müssen wir arbeiten, das Dachzelt ist aus mehreren Gründen für längere Reisen ungeeignet.
An dieser Stelle ein ganz dickes Dankeschön an alle, die uns gedanklich, medial oder wie auch immer begleitet und unterstützt haben. Speziell seien unsere NachbarInnen Anna, Kalli, Bettina und Matthias erwähnt, die unser Zuhause gehütet haben.
Und nun für interessierte Overlander ein paar Zahlen:
Der G, oder LEO, wie wir ihn auch gern genannt haben, war ja mit Benzin- und Gastank ausgerüstet (war, weil er inzwischen verkauft wurde). Der durchschnittle Gasverbrauch lag bei 22,9 Liter/100km, der durchschnittliche Benzinverbrauch bei 17,5 Liter/100km. Bei reinen Offroad-Touren waren es 20 Liter/100km. Insgesamt sind wir in etwas über 7 Wochen 11.650 Kilometer gefahren.
In Anbetracht unseres Fernziels „Seidenstrasse“ haben wir die Kosten genau nachgehalten. Im europäischen Teil der Reise haben wir durchschnittlich 130€ pro Tag verbraucht, in Marokko 65€. Dabei haben wir nicht gegeizt, wir waren öfter in Hotels, haben nicht strikt gekocht, sondern waren auch oft Essen. Besonders teuer war der Teil der Heimreise ab Marrakesch, als wir nur noch in Hotels übernachtet haben, weil es im Dachzelt einfach zu kalt war (klar – Ende November). Damit haben wir für uns eine „Hausnummer“ bzgl. der Tageskosten. Nicht inbegriffen sind die daheim weiterlaufenden Kosten. Schlussfolgerung: das ist natürlich zu viel für eine mehrmonatige Reise. Wir müssen schnell aus der Komfortzone Europa heraus, um das Abenteuer einmal finanzierbar zu machen und es braucht Zeit. Jeden Tag zu fahren ist teuer. Außerdem: zum Schreiben eines Blogs benötigt man auch deutlich mehr Zeit, als wir anfangs für möglich hielten. Um einen Freund zu zitieren (hallo Malte): wer viel schreibt, reist wenig und wer viel reist, schreibt wenig.